Beitrag geeignet für: Jurastudenten
Es wird hier nicht darum gehen, ob ein Freiversuch sinnvoll ist oder nicht. Vielmehr möchte ich dir erzählen warum ich mich für den Freischuss entschieden und wie ich diese Entscheidung abgewägt habe.
Was ist der Freiversuch?
Der Freiversuch ist genau das, wonach er sich anhört: ein freier Versuch im Staatsexamen. Fällt ihr durch, passiert euch gar nichts. Ihr habt also einen Extraversuch. Aber Achtung: diesen muss man zu einer gewissen Zeit schreiben, sodass ihr vielleicht weniger Zeit für die Examensvorbereitung habt. Außerdem habt ihr nur noch einen Verbesserungsversuch, falls ihr den Freiversuch besteht (es sei denn ihr tritt vor der mündlichen Prüfung noch zurück). In einigen Bundesländern gibt es nur einen Versuch für das Staatsexamen, sodass der Freiversuch den zweiten Versuch darstellt. In Bayern habt ihr ohne die Freiversuchregelung bereits zwei Versuche, sodass es durchaus verständlich ist, den Sinn des Freiversuchs anzuzweifeln. Ich habe ihn dennoch geschrieben.
Bevor du panisch recherchierst, denke daran:

Wir Menschen sind alle unterschiedlich. Wir haben verschiedene Temperamente, verschiedene Charaktere, unterschiedliche Erfahrungen im Leben gemacht, befinden uns in verschiedenen Lebensaltern und haben deshalb nicht die gleichen Bedürfnisse! Für den einen ist deshalb der Freischuss sinnvoll, für den anderen nicht.
Ich kann nur immer wieder den Kopf schütteln, wenn Aussagen wie „der Freischuss ist doch völliger Blödsinn“, „das Examen kann man nicht nach einer Vorbereitung unter 2 Jahren bestehen“, „ohne Rep schaffst du das nie“, “ unter Beiträgen von Personen kommentiert werden, die über ihren Weg zum Examen schreiben. Warum schüttle ich den Kopf? Na, weil es einfach Schwachsinn ist! Was für dich unmöglich ist, ist vielleicht für einen anderen genau das richtige. Was für dich möglich ist, ist für einen anderen eventuell nicht machbar. Wir sind alle anders! Wir haben andere Bedürfnisse und andere Stärken bzw. Schwächen. Natürlich will ich damit nicht sagen, dass eine Aussage wie „ohne Lernen ins Examen“ nicht kritikwürdig ist. Aber manchmal sollte man seinen Senf doch für sich behalten. Denn hinter den ganzen Beiträgen versteckt sich eine Person mit Sorgen und Zweifel. Oder warst du dir bei all deinen Entscheidungen immer absolut sicher? Ganz ehrlich: Hätte man mir den Meisterplan vorgelegt mit dem man in 99,99 Prozent der Fälle bestehen würde, wenn man ihn nur befolgt. Dann hätte ich noch immer an die 0,01 Prozent gedacht, in denen ich vielleicht nicht bestehe. Es handelt sich einfach um eine Ausnahmesituation, in der man sich befindet und unter Stress zweifelt man wirklich an allem.
Also wenn du dich entscheidest, dann halte deine Entscheidung fest. Es gibt nicht die perfekte Lösung. Mach deshalb auf keinen Fall den Fehler, den einen Weg zu gehen, nur weil alle anderen ihn gehen.
Meine Gründe
Natürlich ist es immer leicht im Nachhinein zu meinen, dass die Entscheidung richtig war, wenn sie gut gegangen ist.
Ein Grund für mich, mich für den Freiversuch zu entscheiden war, dass ich öfters schon wegen meiner Prüfungsangst „versagt“ habe. Ich habe ein sehr katastrophalisierendes Gehirn. Mein Geist schützt mich noch immer mit aller Kraft vor Urzeitmonstern. Dabei die Fassung zu behalten ist nicht immer einfach. Seltsamerweise kann ich Vorträge vor mehreren Leuten halten ohne wirklich nervös zu sein, jedoch stresse ich mich in Prüfungen zu sehr. Ich wusste, dass mein Gehirn sich das schlimmste Szenario ausdenken würde (was so war), sodass es für mich persönlich eine gute Entscheidung war, mein Gehirn mit dem „Freiversuch“ zu beruhigen.
Ich bin jedoch nicht unvorbereitet in den Freiversuch gegangen. Also ich spreche nicht von der Situation, dass ich mit nur einem halben Jahr Lernen ins Examen gegangen bin. Dennoch war eine Vorbereitungszeit von 12 Monaten ziemlich sportlich. Sehr stressig – das darf man nicht vergessen. Mir war es aber schon früh klar, dass ich sowieso zur Verbesserung (also den scharfen Versuch) nochmal schreiben möchte (wie gesagt, meine Art zu denken. Ich verstehe, dass viele lieber länger lernen und nur einmal schreiben. Absolut gerechtfertigt!).
Was für mich persönlich auch für den Freiversuch sprach war, dass ich wusste, wie das Examen nun wirklich abläuft und auf was es ankommt.
Jedoch muss ich betonen, dass ich den Freiversuch so gar nicht locker genommen habe! Ich drehte förmlich durch (was vielleicht doch für ihn spricht – wie gesagt, ich habe Prüfungsangst). Ich konnte vor der Notenbekanntgabe nicht mehr schlafen, hatte Herzrasen und stotterte ab und zu. Als ich die Note bekam, dachte ich, ich würde mich freuen. Aber ich bekam Panik, dass ich in die mündliche Prüfung gehen musste. Da merkte ich einfach noch deutlicher, dass meine Prüfungsangst mir alles noch schwerer machte. Ich weiß wirklich nicht, wie ich reagiert hätte, wenn ich den „scharfen“ Versuch geschrieben hätte.
Fazit: ich wusste, dass ich sehr katastrophalisierend Denke. Diese Erfahrung hatte ich bereits in der Schule gemacht. Deshalb war es für mich sehr klar den Freiversuch zu schreiben. Ich bin mir absolut sicher, dass das nicht für jeden sinnvoll ist. Wenn du eine Person bist, die zwar nervös, aber ganz normal mit Prüfungen umgehen kann, dann brauchst du dich nicht durch den Freiversuch zu quälen. Ich finde jeder muss diese Entscheidung für sich selbst treffen. Vergesst einfach nicht, dass das Staatsexamen eine Ausnahmesituation ist. Man muss sein Wissen innerhalb einer Woche komplett wiedergeben und hat ständig (wenn man negativ denkt) die hohe Durchfallquote im Kopf.
Lasst euch von niemanden in eure Entscheidung reinreden. Entscheidet mit eurer Intuition. Nur ihr wisst, was das Beste für euch ist. Egal ob ihr nach rechts oder nach links geht, ihr kommt an euer Ziel. Geht euren eigenen Weg!
Eure Meinungsstreiterin
2 Gedanken zu „Freiversuch – warum ich mich dafür entschieden habe“