Jetzt achte ich schon einige Tage darauf, dass mein Lernalltag achtsam und entschleunigt ist. Es klingt so einfach, doch das ist es nicht. Jedenfalls macht der Pandemie-homeoffice-Alltag es etwas leichter, weshalb momentan der perfekte Zeitpunkt ist, um sich in Achtsamkeit zu üben.
Welche Schwierigkeiten sind mir aufgefallen?
Ich habe schnell gemerkt, dass ich in Sachen Lernpensum nicht auf meinen Körper & Geist höre, sondern auf die Zahl, die in Forest (= App, die die pure Zeit der Konzentration trackt) mir angezeigt wird. Auf Gebrechen hin versuche ich meine 20 h in der Woche zu schaffen. An sich natürlich nichts schlechtes. Doch mir ist aufgefallen, dass ich dabei viele Faktoren nicht berücksichtige:
- ob, ich intensiver als sonst gelernt habe und damit nach wenigen Stunden ermüdet bin
- wie mein Schlaf war, wie meine Gesundheit ist, allgemein wie mein Befinden ist
- ob ich an jenem Tag besser lerne (Motivation, Konzentration, Effektivität), wenn ich weniger Stunden mache als sonst
- ob ich entspannt arbeite oder stark auswendig lerne
Das Problem mit den Lernstunden ist meist, dass man die Qualität des Lernens nicht in Zeit messen kann. Dennoch glaub man, dass man fleißiger war, wenn man die sich selbst vorgegebene Zeit geschafft hat.
Gerade meine Motivation kann ein Faktor sein, der sich von der Lernzeit beeinflussen lässt. So gibt es nun mal Tage, an denen man gerne mehr Freizeit und Ruhe hätte. Nehme ich mir also vor, viele Lernstunden zu lernen, weil ich einfach nur diese Stundenanzahl „fleißig“ sein möchte, dann kann es sein, dass meine Motivation sinkt: ich lerne träge und mit vielen Ablenkungen (wenn auch nur im Kopf). Mein Körper holt sich also schlichtweg auf andere Art die Pause. Höre ich allerdings auf meine Bedürfnisse, kann es sein, dass ich in der geringeren Zahl an Lernstunden richtig „Power“ gebe. Ich bin motivierter, da ich es bald geschafft habe. Ich lerne effektiver und produktiver.
Mir sind diese Faktoren sehr bewusst, da ich das an mir schon während einer Zeit des jahrelangen Lernens beobachtet habe. Es ist schon beinahe ein Fakt, dass wenn ich dieses Bedürfnis nach mehr Ruhe spüre, eine kürzere Lernzeit bei mir einen positiveren Effekt hat, als eine längere. Dennoch liegt mein Fokus stark auf der angezeigten Zahl auf Forest. Einerseits ist das gut, da ich so motivierter bin, mehr zu machen. Andererseits führt das eben zu den oben geschilderten Folgen. In dieser Hinsicht brauche ich also mehr Achtsamkeit und eigentlich mehr Liebe zu mir selbst. Denn vielleicht kennst du das, dass man sich schnell verurteilt, wenn man eine gewisses Lernpensum nicht erreicht hat. Nach Stunden des Lernens kann es passieren, dass man sich sagt: „wieder so wenig gemacht, du bist so faul, etc.“, nur weil man die Zahl X auf der Uhr nicht erreicht hat.
Die erste Woche meines Selbstexperimentes habe ich auf meine Bedürfnisse geachtet. Das führte dazu, dass ich sogar mehr Stunden gelernt habe (weil ich plötzlich einen Motivationsschub hatte), als ich eigentlich plante. Danach verlor ich aber diese Feinfühligkeit.
Was lief gut?
Ich habe es allerdings geschafft das tägliche Meditieren beizubehalten.
Auch meine Sportflaute habe ich überwunden. Ich habe mein Motivationstief ernst genommen und mich danach gefragt, woran es liegen könnte. Ich bin zu dem schlichten Entschluss gekommen, dass es an der Langeweile liegt. Seit fünf Monaten trainierte ich mit dem gleichen Trainingsvideo. Also sah ich mich nach was anderem um. Ich stieß auf ein Video, mit welchem ich vor einigen Jahren trainiert habe. Während der Übungen ist mir eingefallen wie schwer sie mir damals gefallen sind und wie gut es diesmal lief. Das führte mir vor Augen wie stark mein Körper geworden ist und machte mir wirklich bewusst, dass ich mir mit dem täglichen Sport etwas Gutes tat. Oft haben wir nur das Ziel XY im Blick, in meinem Fall ist das der Spagat (da ich früher Ballett gemacht habe, ist mir das persönlich sehr wichtig). Dabei vergessen wir, dass uns jegliche Bewegung, vor allem nach einem langen Schreibtischtag, gut tut. Wenn wir das uns gesetzte Ziel dann nicht schnell genug erreichen, sind wir frustriert und demotiviert. Ich lege meinen Fokus jetzt darauf, dass ich mir nach dem Lernen etwas Gutes tu. Gerade nach vielem Sitzen tut es gut die Hüfte zu dehnen und gerade das gehört zu meinem Spagattraining. Also mache ich mir bewusst, dass egal wie weit voran ich mit meinem Ziel im heutigen Training komme, ich mich jedenfalls nach dem vielen Sitzen dehne und meinen Körper damit entspanne.
Auch, wenn es nicht immer gut klappt, habe ich es dennoch überwiegend geschafft am Nachmittag nicht mehr auf social media zu sein. Das tat mir unendlich gut. Denn meistens ist beim vielen Lernen die Freizeit rar. Da möchte ich kein „Handyzombie“ sein. Ich habe gemerkt wie gut mir das tat und dass es reicht einfach am Vormittag online zu sein. Ich neige aber generell schnell dazu mich vom Handy stressen zu lassen, sodass ich das ernst genommen habe. Natürlich klappt das nicht immer. Allerdings wäre es toll, wenn das zur Gewohnheit werden würde. Das ist mir persönlich sehr wichtig. Einen privaten Instagram-Account habe ich schon seit März nicht mehr. Ich habe kurzen Prozess gemacht und ihn gelöscht, nicht erst deaktiviert. Irgendwie war es eine befreiende Entscheidung, da ich eigentlich dort nur aus Langeweile aktiv war und meine Zeit verplempert habe.
Ich bin gespannt, wie die nächsten Wochen laufen! Deine Meinungsstreiterin ❤