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Ich besuche ein Symposium: Mensch / Recht / Digitalisierung – wird die KI uns ersetzen?

Einer Sci-fi-Liebhaberin wie mir geht natürlich das Herz auf, wenn sie auch nur an den Begriff „Forschungsstelle RoboRecht“ hört. Tatsächlich existiert eine solche Forschungsstelle an der Juristischen Fakultät der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, an der ich studiere.

Endlich kann ich mich voll und ganz auf die Zusatzangebote der Universität zu stürzen. Bei Probeklausuren, Abschlussklausuren und Hausarbeiten bleibt oft nicht die Zeit diese wahrzunehmen. Also freute ich mich sehr darauf, mich für das gemeinsame Symposium des Oberlandesgerichts Bamberg mit der Julius-Maximilians-Universität Würzburg anzumelden.

Neubaukirche der juristischen Fakultät Würzburg

Im schönen Schein der Kronleuchter, wartete ich gespannt auf die Juristen, Informatiker und Mathematiker. Die Neubaukirche der Juristischen Fakultät müsste einst mit flackerndem Kerzenlicht eine noch eindrucksvollere Erscheinung gewesen sein, wie sie in diesem Moment bereits war.

In 1,5 Metern Abständen versammelten sich die gespannt wartenden Zuhörer auf ihren zugewiesenen Plätzen. Ich öffnete die zur Verfügung gestellte Mappe samt Logo der Universität, um den kleinen Notizblock auf meinen Schoß zu legen. Das Mitschreiben versetzte mich in Zeiten, in denen ich bemüht war jegliche Information des schnellredenden Dozenten auf Papier zu bringen. So musste ich auch hier mich anstrengen, um nichts zu verpassen und alles richtig auf dem Blatt zu erfassen. Ich möchte deshalb an dieser Stelle anmerken, dass möglicherweise mir Fehler unterlaufen sind. Die Tatsache, dass ich aufgrund meines Nachnamens (W) in die letzte Reihe gesetzt wurde und mit manch leisen Stimmchen zu kämpfen hatte, machte das Unterfangen nicht leichter.

Das Symposium setzte sich insbesondere mit dem Thema KI (Künstliche Intelligenz) und Videoverhandlungen und virtuelle Gerichtssälen in der Justiz auseinander. Nach einer Podiumsdiskussion mit Vertretern der juristischen Praxis und der Universität, begann eine leidenschaftliche Diskussion mit dem Auditorium, insbesondere zwischen der juristischen und technischen Seite.

Hier nun eine kleine Zusammenfassung von den Vorträgen und Diskussionen. Und wie ein Befürworter der KI fortwährend betonte: Menschen machen Fehler. Da ich eben ein Mensch und keine künstliche Intelligenz bin, sind sie hier möglich.

So spiegelt mein menschliches Erinnerungsvermögen das Symposium wieder:

Wie ist die KI in der Justiz denkbar? Zum einen wäre sie als Stütze, beispielsweise zum Erkennen von Rückfallerscheinungen beim Täter, einsetzbar. Doch dazu später mehr. Es soll hier nämlich auch noch um die Digitalisierung im Allgemeinen gehen. 2022 werden Anwälte verpflichtet Schriftsätze digital einzureichen. 2026 soll auch die Akte digitalisiert werden.

Nun zurück zu der KI. Wie weit ist sie denn aktuell? Momentan kann die KI speichern und das kennen wir alle. Hier auf meinem Blog speichere ich Texte und Bilder, auf YouTube Videos. Wir alle machen das und die KI kann das. Allerdings kann die KI im Gegensatz zu uns die Inhalte nicht verstehen. Gibt man in eine Suchmaschine einen unvollständigen Satz ein, so können uns Wörter vorgeschlagen werden. Der Satz kann also von einer KI beendet werden. Allerdings versteht sie den Inhalt nicht. Ziel wäre es, einer KI nur einen Satz sagen zu müssen wie „Erstelle mir bitte eine Webseite“ und Simsalabim entsteht sie. Aus natürlicher Sprache einen Programmcode zu erstellen, das wäre das Ziel. Auch kann sie keine erfundene Geschichte erzählen. Es geht eben erneut um den Inhalt. Wie bringt man einer KI also eine Inhaltsgebung bei?

Denkbar wäre hier also der Einsatz einer KI in der Justiz. Wir Juristen verstehen natürlich die juristische Sprache. Doch diejenigen, die den juristischen Beistand benötigen, meist nicht. Das Übersetzen von einer Sprache in eine andere ist bereits möglich. Doch wie sieht es mit Juristendeutsch in einfaches Deutsch aus? Eine solche Unterstützung wäre durch eine KI in der Zukunft denkbar. Auch könnte die KI durch Eckdaten Urteile verfassen. Zudem wäre es denkbar, dass die KI emotionale Zustände im Gerichtssaal erkennt.

Problematisch sind allerdings neu eröffnete Möglichkeiten, die wir eigentlich bereits kennen: Falschmeldungen und Manipulation durch Dritte oder durch die KI selbst. Auch könnten Gesetzestexte durch die KI verändert werden und anschließend ins Netz gestellt werden. Außerdem könnte die KI voreingenommen sein, indem sie z.B. jemanden als intelligent einstuft, nur weil die Person vor einer Wand mit Büchern steht. Weiter stellt sich das Problem des Urheber- und Patentrechts von KI-Texten, sowie die Haftung. Die KI müsste zudem mit Texten trainiert werden, sodass sich die Frage stellt, welche dafür denn überhaupt verwendet werden dürften. Auch verfassungsrechtlich ergeben sich Probleme. Gerade bei Störungen während einer Videoverhandlung stellt sich die Frage, wie das dem Recht auf richterliches Gehör gerecht wird. Es gibt also noch viele Fragen, mit denen sich die Experten beschäftigen.

Während der Vorträge stellte sich dann die Frage womit wir die KI überhaupt vergleichen? Aus psychologischer Sicht ist der Mensch nämlich nicht rational, selbst wenn er es nicht wahrhaben möchte. Messen wir also beispielsweise den virtuellen Gerichtssaal an einem physischen?

Im Mittelpunkt der Vorträge stellt sich der Leitsatz: „Technik für die Menschen“. Es geht somit nicht um Ersatz von bspw. Experten, sondern um die Unterstützung.

Während der Diskussion von Zoom, also Videokonferenzen, erschallt die Neubaukirche in Gelächter der Zuhörer, als die Worte fielen: „Ermüdungsgründe wurden als Kritik angeführt. Die Psychologie belegt allerdings, dass das kleine Bild von uns selbst uns unangenehm erscheint, sodass wir müde werden. Wir denken also die Videokonferenz macht uns müde, dabei ist es das kleine Bild“. Interessante Einblicke in die Psyche des Menschen.

Später stellt sich bei der Diskussion um die Entwicklung eines virtuellen Gerichtssaals die Frage, wie für Ruhe im „Gerichtssaal“ gesorgt werden kann. Hier wäre es momentan nur möglich jemanden endgültig aus dem virtuellen Saal zu verbannen. Auch bei dem Design müssen viele Punkte beachtet werden. So ist es empirisch belegt, dass die Leistungsfähigkeit beim Multitasking sinkt. Das ist bei der Menügestaltung zu beachten. Allerdings hat die Digitalisierung auch Stärken. Die Redezeit kann im Gerichtssaal in der Praxis stark variieren, sodass dies bei einem virtuellen Raum bei entsprechendem Design besser im Blick behalten werden könnte. Auch könnte der virtuelle Saal eine Statistik erstellen, wer wie viele Beweise erbracht hat. Hier gibt es somit interessante Möglichkeiten und Bedenken, die von den Experten im Blick behalten werden.

Die Podiumsdiskussion fing dann bei den Zuschauern Feuer. Interessante Argumente und Gegenargumente wurden gebracht, sodass die Zeit zu schnell voranschritt. Die Diskussionen hätten wohl noch in die Nacht andauern können.

Zunächst wurde die KI als Stütze für die Justiz erläutert. Argumentiert wurde mit dem virtuellen Konstruieren des Tatorts für das Gericht, dem möglichen Objektivieren der Entscheidungen und dem Zusammenspiel von Mensch und Technik. Eine andere Diskussionsteilnehmerin sah die KI mehr als Ersatz. So sei erstinstanzlich ein Urteil durch die KI denkbar, während in der zweiten Instanz ein menschlicher Richter entscheiden sollte. Bei beiden Zukunftsvisionen handelte es sich um Stimmen aus der Wissenschaft. Aus der Praxis kam das Verlangen nach mehr Struktur in den Parteivorträgen durch die KI. Bis hierhin lief alles noch ziemlich zurückhaltend.

Dann kam die eigentliche Diskussion. Hier wurde überwiegend darüber debattiert, ob die KI als Stütze oder Ersatz fungieren sollte. Die Praktiker befürchteten, dass die menschliche Eigenheit nicht ersetzt werden könne. Gerade aus der Sichtweise eines Richters heißt es, dass die Justiz auch Frieden schaffen soll, weshalb Vergleiche geschlossen werden. Die Menschen würden manchmal einfach ihre Geschichte erzählen wollen. Emotionen dürften somit nicht ausgeklammert werden. Der Mensch möchte von der Justiz wahrgenommen werden. Aus der Praxis wird dem entgegengesetzt, dass viele Mandaten bereits mit Infos aus dem Internet in die Kanzlei kommen. Auch sei ihm vor Kurzem bekannt geworden, wie viel die Menschen tatsächlich vor dem Bildschirm ihre Zeit verbringen. Wollen die Menschen also vielleicht doch lieber eine KI?

Der Ersatz durch die KI wird auch mit dem Verlust der dritten Säule, der Rechtsprechung, kritisiert. Aus verfassungsrechtlicher Sicht stellt sich die Frage wer die KI programmiert? „Die Richter?“, wird mit ironischem Ton gefragt, „Ist das noch Rechtsprechung?“. Auch Kinder, insbesondere im Familiengericht, werden in den Mittelpunkt gestellt. Wiederum ergibt sich aus der Wissenschaft ein Argument für die KI als Ersatz. Es wird in den Raum geworfen, ob es denn ethisch vertretbar sei dem Angeklagten eine KI vorzuenthalten, die auf dem neusten Stand ist, während viele Menschen einfach nicht die Zeit und Kraft haben, sich ständig fortzubilden. Hier wird die Diskussion mit freundlichen Ton kritischer und hitziger. Aus psychologischer Sicht wird der Justiz vorgeworfen kognitiv zu viel vom Menschen zu halten. Hier folgt eine zeitweilige Stille in der Neubaukirche, nachdem die Situation eines unschuldigen Amerikaners auf dem Weg zur Todesstrafe geschildert wird. Später wird das Streben nach Perfektionismus kritisch erwähnt. Wir würden immer weiter das Vorantreiben des Perfektionismus schüren. Ob das der richtige Weg sei?

Zum Ende hin wird erwähnt, dass der Fortschritt kommen wird, schneller als wir denken und wir uns darauf vorbereiten müssen.

Mein Fazit

Es handelte sich um eine unglaublich interessante Diskussion mit vielen Fragen, viele „Aha“-Momenten und Verständnis auf beiden Seiten der Diskussionsrunde. Klar wurde, dass jeder die Digitalisierung mit offenen Armen erwartet, jedoch noch viele Fragen offen stehen.

Ich kann nur jedem raten, solche Veranstaltungen zu besuchen und den Blick über den Tellerrand zu werfen.


Deine Meinungsstreiterin ❤

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