Angehende Jurastudenten: Panik vor dem ersten Semester

Während meiner Tätigkeit als Mentorin an der juristischen Fakultät und Study-Bloggerin kommt mir häufig die Sorge der Erstsemester bzw. der frischgebackenen Abiturienten zu Ohren.

Aus der Abiprüfung raus, an den feiernden Abiturienten vorbei und schnell in die Jurabib zum Vorlernen! 

Entspann dich! Genieße die freie Zeit vor dem Studium in vollen Zügen. Du brauchst dich nicht vorzubereiten und das aus vielen Gründen. Zunächst einmal das Wichtigste. Alle haben erst ihr Abitur gemacht. Im Hörsaal sitzt kein Jurastudent, der seine juristische Prüfung bereits bestanden hat und nun die anderen Erstsemester blamieren möchte. Ihr seid alle Anfänger! Außerdem weißt du noch gar nicht was auf dich zukommt. Natürlich könnte ich dir jetzt Lehrbücher für das erste Semester empfehlen, sodass du bereits „vorlernen“ kannst. Aber wozu? Erstens wirst du wahrscheinlich nicht an der selben Universität studieren. Das heißt, dass du von ganz anderen Professoren unterrichtet wirst als ich. Was folgt also daraus? Es gibt immer wieder Professoren die gewisse Lehrbuchautoren beinahe schon verabscheuen. Die Formulierungen passen ihnen gar nicht. Außerdem vertreten sie eine völlig andere Meinung als andere Professoren und damit andere Buchautoren. Moment! Jede Meinung ist doch vertretbar! Na klar, aber im ersten Semester ist es eher üblich die Meinung des Professors zu vertreten, sodass sich deine Prüfung an seiner Lösungsskizze anpasst. Erst im höheren Semester kann man hier kreativer werden. Zudem hat jeder Student seinen eigenen Lernstil, den er erst finden muss. Viele Jurastudenten lernen mit Skripten von Repetitoren. Also dache ich mir damals: die brauche ich auch! Was war das Ende vom Lied? Ich habe absolut keine Verwendung für diese Skripte gehabt. Der Stil hat nicht zu mir gepasst und ich habe meine Zeit und mein Geld verschwendet. Das bedeutet: du weißt noch gar nicht mit welchen juristischen Lehrbüchern du etwas anfangen kannst. Aber der absolut wichtigste Punkt meiner Ansicht ist derjenige, dass es viel schwieriger ist etwas umzulernen, als neu zu lernen! Du könntest dir also ein Lehrbuch schnappen, das vielleicht sogar super gut ist, aber alles falsch verstehen, da dir die Erklärung eines Professors fehlt. Wenn du aber ein fleißiges Bienchen bist, dann manifestiert sich das falsch Gelernte in deinem Kopf. Den Fehler zu korrigieren wird dir schwer fallen!Vertraue auf deine Fähigkeiten im Studium. Ich habe damals auch nicht vorgelernt und siehe da, nun stehe ich kurz vor meinem ersten Staatsexamen. Warte dein Studium also voller Vorfreude ab und lerne von Anfang an fleißig mit! 

Das Jurastudium im Überblick

Das Jurastudium im klassischen Sinne ist kein Bachlor-/Masterstudiengang. Es besteht aus dem Grund- und dem Hauptstudium. Zunächst machst du dich auf dem Weg zur ersten juristischen Prüfung (erstes Staatsexamen + Universitätsprüfung). Dabei beträgt die Regelstudienzeit 9 Semester (4,5 Jahre). Die meisten benötigen hingegen 10-11 Semester. 

Du beginnst also mit dem Grundstudium. Dabei geht es im Jurastudium nicht darum Punkte wie im Bachlor-/Masterstudiengang zu erzielen. Vielmehr musst du während dem Studium einzelne Scheine bestehen, um zur juristischen Prüfung zugelassen zu werden. Ja, genau. Du hast richtig verstanden. Es geht nicht darum Punkte abzusahnen, sondern zu bestehen. Aber dazu kommen wir später noch. Die benötigten Scheine varriieren von Uni zu Uni. Um den Überblick zu erleichtern, erzähle ich dir grob von meinem Studienverlauf:

Erstes Semester: zunächst muss man einfache Abschlussklausuren bestehen, um sozusagen ins nächste Level zu kommen. Das Durchfallen durch die Klausuren ist jedoch halb so wild. Im zweiten Semester werden Wiederholungsklausuren angeboten (diese müssen dann aber bestanden werden). Ihr müsst also auch nicht wieder ins erste Semester starten, sondern macht mit dem zweiten Semester weiter. In den Semesterferien beginnt ihr dann mit eurer ersten Hausarbeit. Auch hier gilt: das Nichtbestehen ist halb so wild. Einfach im nächsten Semster wiederholen! Die Hausarbeiten waren bei uns die Voraussetzung dafür, dass wir zu den großen Scheinen zugelassen wurden.

Zweites Semester: ihr wiederholt ggf. die nichtbetanden Klausuren und schreibt zwei weitere Klausuren (dabei handelte es sich gleich um zwei Versuche, d.h. wir mussten nur eine Klausur davon bestehen – etwas kompliziert). Für die Klausuren gilt das selbe wie im ersten Semester.

Drittes Semster: wenn alles glatt lief, ihr also alle Klausuren bestanden habt, könnt ihr nun eure Zwischenprüfung schreiben. Mit der Zwischenprüfung schließt ihr euer Grundstudium ab.

Viertes Semeste rund höher: nun sammelt ihr eure großen Scheine. Ein Schein besteht (an meiner Uni) aus einer Klausur für Fortgeschrittene und einer Hausarbeit. Sobald ihr beides bestanden habt, bekommt ihr euren Schein. Währenddessen wählt ihr euren Schwerpunkt, den ihr nebenher besucht.

Habt ihr alle Scheine, dann könnt ihr euch auf das erste Staatsexamen vorbereiten. P.S: irgendwann müsst ihr auch noch eure Universitätsprüfung (Schwerpunkt) schreiben. Diese könnt ihr vor oder nach dem ersten Staatsexamen machen. Vor eurem Staatsexamen müsst ihr auch einen Fachschein erwerben und insgesamt 3 Monate Praktika absolvieren. Die Homepage eurer Uni hat aber grds. einen Studienverlaufspan, an den ihr euch orientieren könnt.

Wie soll ich denn gleich wissen, wie ich lernen muss?

Viele wünschen sich die eine Zauberantwort zu dieser Frage. Leider gibt es nicht die eine Lerntechnik, die für dich in Frage kommt. Du musst selbst deinen Weg findet. Was heißt das genau? Das heißt, dass du dir auch Fehler erlauben darfst! Du wirst immer wieder merken, dass deine Lernmethode doch noch nicht perfekt funktioniert. Experimentiere! Gerade im Jurastudium zählt (meist) nur die Note im Staatsexamen. Sei nicht enttäuscht, wenn du mal eine schlechte Note erhälst. Reflektiere deine Lernmethode und überlege was du vielleicht falsch gemacht hast. Scheue dich auch nicht davor nicht in die Vorlesung zu gehen. Die wenigsten Menschen sind auditive Lerntypen. Ich persönlich habe gemerkt, dass mir Lehrbücher mehr bringen, als in der Vorlesung zu sitzen und zuzuhören. Natürlich solltest du zu Beginn deines Studiums nicht gleich die Universität meiden. Aber später kannst du ruhig etwas experimentieren. Damals habe ich meine beste Note in der Zwischenprüfung dort erzielt, wo ich nicht in der Vorlesung war, sondern selbst gelernt habe. Folge nicht der Gruppe, finde deinen eigenen Weg. Lernen alle mit Karteikarten, aber du nicht? Das ist doch okay! Aber vergiss nicht, dass du diesen Weg erst finden musst. Also sei nicht zu streng zu dir und halte nicht an alten Methoden fest, die dir nicht mehr, als nur ein vermeintlich gutes Gewissen geben.

Danke, du hast schon recht, aber das macht es auch nicht so viel leichter.

Nun gut. Vielleicht habe ich einen kleinen allgemeinen Lerntipp für die angehenden Jurastudenten. Was ich in der Examensvorbereitung sehr stark gemerkt habe: nichts geht über Grundlagen! Was macht der Jurastudent? Er lernt Definitionen, schreibt ein Gutachten und diskutiert Meinungsstreitigkeiten und Probleme. Das heißt also: du wirst Definitionen auswendiglernen, den Gutachtenstil beherrschen müssen und die großen Punkte in der Klausur für den Meinungsstreit erhalten. Aber die perfekte Problemerarbeitung bringt dir nichts, wenn du die einfachen Dinge nicht beherrscht. Mein Tipp für dich also: stürze dich nicht sofort auf Meinungsstreitigkeiten! Fange ganz unten an. Baue ein Haus! Lerne Definitionen, Schemata und die Grundlagen. Fange also am Besten mit dem Fundament, also schmalen Büchern an. Es gibt Skripte, die man in 1-2 Tagen durcharbeiten kann, sodass man die Grundlagen beherrscht. Erst wenn du diese im Schlaf beherrscht kannst du dich auf den Meinungsstreit stützen. Konzentriere dich dabei zuerst auf die Probleme, die in der Vorlesung bzw. den Arbeitsgruppen (bei uns heißen diese „Konservatorien“) erarbeitet werden. Die Professoren werden im Grundstudium nur diejenigen Probleme abprüfen, die sie auch behandelt haben. Ich würde alles dafür geben, wenn mein früheres Ich diesen Tipp bekommen hätte. Auch wenn er noch so „easy“ erscheinen mag.

Komm von deinem hohen Ross runter, kleiner Jurastudent!

Mach nicht den großen Fehler und spiele den großen Jurastudenten! Du bist noch im ersten Semester und hast auf gut deutsch wirklich keine Ahnung von der gewaltigen Vielfalt des Rechts! Erst später sieht man das große Ganze. Nimm alles so an wie es ist. Im ersten Semester habt ihr begrenzte Paragraphen, die geprüft werden müssen. Im Strafrecht ist es meist der Totschlag (spoileralarm: Totschlag ist nicht gleich Mord!). Eine Kommilitonin von mir hat sich ständig in der Konserve (=Arbeitsgruppe) gemeldet und gefragt, warum das jetzt kein Mord sein soll? Nun erstens, weil es keiner ist und zweitens, weil das erst das Thema des zweiten Semesters ist! Im ersten Semester prüfst du nur den Totschlag, basta! Nimm es an und denk nicht weiter darüber nach. Wenn der Professor sagt, dass diese eine Meinung, die du persönlich nicht so toll findest, von vielleicht einem Menschen auf dem gesamten Planeten vertreten wird und alles dafür spricht (auch die Absahnung von Punkten in der Klausur) der anderen Meinung zu folgen, dann folg der anderen Meinung und nicht deiner eigenen! Später kannst du deine juristischen Meinung ruhig vertreten. Aber im ersten Semester solltest du dich nicht daran aufhängen. Oft schneidet es dir nämlich nur die Prüfung ab, sodass du die meisten Punkte nicht mehr bekommen kannst. Deshalb geben die Professoren ja meist auch diesen Tipp. Das übersieht man gerne als Ersti. Also spiel nicht den großen Juristen! Richte dich nach den Dozenten. Vertrau darauf, dass deine Zeit noch früh genug kommen wird.

Vorurteil: Justus Aurelius von Adelsblut

Die „Normalos“ machen sich vielleicht einige Sorgen darüber, dass sie in der Masse von perfekten Juraklonen untergehen werden. Ich selbst bin sicher keine Justus Aurelia von Adelsblut und hatte vor dem Studium große Sorgen, dass ich nicht zu diesem Studiengang passen könnte. Ich hatte Zweifel an meinen Charakereigenschaften. Ich bin introvertiert (also eher ruhig und bedacht, als ein großer Schwätzer), hochsensibel (nur die Akte eines Vergewaltigers zu lesen hat mir Nächte des Schlafs geraubt), sehr empathisch, vielmehr kreativ als rationaldenkend und absolut nicht materialistisch, weshalb ich auch keinen Reichtum anstrebe. Meine Vorstellung des typischen Jurastudenten war: reich, perfekt gestylt, sogar die Unterhose ist von Chanel, geschwätzig und immer der Mittelpunkt der Gesprächsrunde, eher kaltherzig und logisch, selbstdarstellerisch und auf dem Weg zu der Million. Tatsächlich waren die ersten Personen, die ich vor der Uni gesehen habe, zwei Mädels mit Chanel-Outfit, hohen Schuhe, Perlenkette und tiefen Ausschnitt, die mich von oben bis unten musterten (wahre Geschichte!). Ich hatte solche Angst in diesem Moment! Noch nie habe ich mich so Fehl am Platz gefühlt. Doch dann kamen die restlichen Erstsemester (wir waren damals 600 Studenten, die angefangen haben). Das totale Gegenteil. Versteh mich nicht falsch! Ich finde es total schön, wenn Menschen ihren Stil finden. Egal ob Markenklamotten oder nicht. Egal ob stark geschminkt (was ich sogar oft bin) oder nicht. Egal ob aufgebretzelt oder nicht. Ich finde jeder sollte sein Aussehen so gestalten wie er das möchte. Aber diese zwei Mädels, die ich damals gesehen habe, zeigten mit ihrem Blick schon, dass ihr Herz keine Empathie kennt. Nun, wie richtige Jurastudenten, oder? Nein! Klar gibt es immer Ausnahmen und von Uni zu Uni ist das anders. Ich kann jedenfalls stolz von meiner Uni behaupten, dass die meisten einfach nur normale Studenten wie du und ich sind. Lass dich also nicht verunsichern. Du musst nicht ein bestimmtes Aussehen oder bestimmte Charaktereigenschaft besitzen, um Jura zu studieren. 

Ellenbogen raus, Bücher verstecken und los in den Konkurrenzkampf!

Sicher hast du schon einige schaurige Geschichten von den Jurastudenten gehört. Natürlich gibt es immer wieder Personen, die nichts außer Konkurrenz in dir sehen. Meiner Meinung nach ist das aber sicher kein Phänomen der Juristerei, sondern normal. Sicher hattest du im Kindergarten, der Grundschule, der Oberstufe oder in der Familie schon mal eine Person, die sich ständig auf einen Konkurrenzkampf einlassen wollte. Überall gibt es solche Menschen. Ich denke also nicht, dass es eine typische Eigenschaft des Jurastudenten ist. Klar, möglicherweise ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass sich im Studium (gerade mit hohem NC = numerus clausus) viele Kanditaten befinden, die ständig Klassenbester waren und nun ihren Thron nicht aufgeben wollen, obwohl nun alle Klassenbesten in einem Hörsaal sitzen. Es ist also durchaus denkbar. Aber es wird immer einen Besserwisser in deinem Leben geben. Lass dich also nicht auf dessen Niveau herunter. Ich war damals tatsächlich an so eine Person geraten. Sie identifizierte sich immer nur durch ihre Leistung. Ohne diese schien sie sich wertlos zu finden. Ich selbst war auf der Realschule und habe keinen 1er-Abischnitt gehabt. Sie sah mich deshalb nicht als Konkurrenz (weshalb ich zu Beginn noch gut mit ihr auskam). Doch irgendwie lag mir Jura besser als ihr. Das ging ihr nicht in den Kopf, sie kam doch aus Bayern, hatte einen 1er-Schnitt und war schon nach der Grundschule auf das Gymnasium gekommen. Von da an fing der psychische Terror an. Ich habe mich nie auf einen Konkurrenzkampf eingelassen. Ich persönlich sehe keinen Nutzen darin. Was interessieren mich die anderen? Ich vergleiche meine Leistung mit der Leistung meines vergangenen Ichs. Es wird immer jemanden geben der besser ist als du. Außerdem hat jeder andere Ziele, andere Bedürfnisse, andere Prioritäten und kommt aus anderen Lebensverhältnissen. Ist da der Vergleich sinnvoll? Also begib dich nicht auf dieses Niveau herunter. Hilf anderen Kommilitonen (das macht dich auch glücklicher) und betrachte nur deine eigene Leistung! Meine Beobachtung: solche Personen freuen sich über eine schlechte Note, wenn du noch schlechter warst und freuen sich nicht über eine gute Note, wenn du besser warst. Solche Kommilitonen brauchst du nicht! Also Finger weg von denen.

Zum Glück wird es aber Kommilitonen geben, die dir gerne helfen und dich motivieren. Sie werden dir zeigen, was sie gemacht haben, um eine gute Note zu erzielen, sodass du das Lernen anpassen kannst und noch besser wirst. Vielleicht wirst aber auch du den anderen helfen und ihnen zeigen, wie du auf die Klausur gelernt hast, sodass die anderen ihr Lernen anpassen können.

Was zum Teufel soll denn diese Notenskala?

Die Notenskala des Jurastudiums ist gewöhnungsbedürftig. Mit 15 Punkten war man im Abitur im Himmel. Nun geht die Notenskala bis 18 Punkte. Dabei möchte ich meinen Professor zitieren: „wenn ich jetzt ein Staatsexamen schreiben würde, würde ich wohl um die 15 Punkte schreiben.“ Warte mal. Hat er denn keine Ahnung von dem was er unterrichtet? Natürlich hat er Ahnung! Aber die Notenskala ist tatsächlich verrückt. Im Studium passiert es zwar (selten aber doch) manchmal, dass jemand die 18 Punkte erreicht. Doch, dass das im Staatsexamen passiert ist mehr als nur unwahrscheinlich. Das heißt: keine Panik! Keiner erwartet von dir 18 Punkte! Doch wahrscheinlich hast du schon von dem berühmt berüchtigten Prädikat gehört. Das Prädikat („vollbefriedigend“) erhält man im Staatsexamen bei einem Durchschnitt von 9 Punkten. Damit bist du schon überdurchschnittlich und der King bzw. die Queen. Hä, da ist doch noch Luft nach oben! Ja, ja. Die Notenskala ist verrückt. Das wäre (ungefähr) so, wie wenn du in deiner Schulzeit mit 7 Punkten schon eine hervorragende Leistung erbracht hättest, obwohl noch einiges bis zu den 15 Punkten fehlt. 

Ich habe für dich den Bericht des Bayerischen Landesjustizprüfungsamtes von den Ergebnissen des ersten Staatsexamens (2018) in ganz Bayern herausgesucht: 

Gesamtnote Prüfungsteilnehmer/-innen Prozent
sehr gut 6 0,21
gut 90 3,22
vollbefriedigend 377 13,47
befriedigend 729 26,05
ausreichend 799 28,56
nicht bestanden 797 28,48

Quelle: https://www.justiz.bayern.de/media/pdf/ljpa/jahresberichte_mit_statistiken/bericht_2018.pdf

Du siehst also, dass die wenigsten ein Prädikat erhalten. Du musst also nicht glauben, dass du nur mit einem Prädikat ein guter Anwalt/eine gute Anwältin wärst. Es gibt einige Berufe, die ein Prädikat erwarten, aber da möchte ich noch nicht näher drauf eingehen. Was ich dir zunächst vermitteln möchte ist, dass du dir um Himmels willen keinen Stress im ersten Semester machst, wenn du keine 18 Punkte (oder auch 9 Punkte) in den Klausuren schreibst. Natürlich solltest du dich nicht mit 4 Punkten (bestanden) zufrieden geben. Doch du kannst trotzdem stolz auf deine Leistung sein. Strebe nach höheren Punkten, aber nicht um jeden Preis. Es wird auch mal Klausuren geben, die dir absolut nicht leicht fallen. Sei dankbar für deine Note und arbeite an eine bessere, aber sei niemals enttäuscht, obwohl du großes geleistet hast! Denn warum solltest du bei 8 Punkten deine Miene verziehen und bei 9 Punkten jubeln? Sei dankbar für jede bestandene Klausur und analysiere deine Fehler. Denn im Endeffekt studierst du, um etwas lernen und nicht schon nach dem Abitur der Vollprofi zu sein. 

Das heißt natürlich nicht, dass du kein Prädikatsexamen schreiben wirst! Gebe deine Träume nie auf. Gib dein Bestes und vielleicht gehörst du ja dann zu den 13,47 Prozent! 

Oh mein Gott! Hast du diese Durchfallquote gesehen?

Wahrscheinlich ist dir die Durchfallquote von 28,48 Prozent (siehe Tabelle oben) aufgefallen. Vermutlich hast du auch schon längst gehört, dass Jura eine „harte Nuss“ sein soll. Gerade wenn das Studium zulassungsfrei ist, fangen etliche Studenten an. Bei mir waren es um die 600 Studenten. Wie du dir denken kannst, sind wir lang nicht mehr so viele. Ich habe auch mit der großen Furcht es nicht zu schaffen mit dem Jurastudium angefangen. Wie aufgeregt und nervös ich war, kann ich dir gar nicht beschreiben. Wie du bereits gelesen hast, war ich früher auf der Realschule. Für mich stand es schon immer fest mein Abitur nachzumachen. Das klappte auch ohne Probleme totz 6-stündig Wirtschaft (dank dem Handelsrecht habe ich mich für Jura entschieden). Einen 1er-Schnitt hatte ich nicht und das war für mich auch immer okay. Am ersten Tag meines Studiums, es handelte sich um einen Kennenlerntag, saß ich am Tisch mit vier weiteren Studentinnen. Irgendwann begann das Wetteifern: „ich hatte einen 1,…-, ich einen 1,… -Schnitt.“ Ich wurde kreidebleich. Hohe Durchfallquote und ich mit meinem 2er-Schnitt. Ich kann das doch nicht schaffen. In der ersten Probeklausur sind alle, die an diesem Tisch saßen, durchgefallen, außer ich. So ging das auch mit den nächsten Klausuren. Später vielen dann zwei dieser Studentinnen insgesamt weg. Eine hat bereits im ersten Monat abgebrochen, die andere nach einer nichtbestandenen Klausur. Ich nicht. Jura lag ihnen einfach nicht. Das heißt nicht, dass sie „dümmer“ wären als ich! Solltest du dir also wegen deinem Abischnitt Sorgen machen, dann sei beruhigt. Mit Fleiß, Disziplin und durchschnittlicher Interlligenz lässt sich das Studium gut meistern. Du musst kein Genie sein. Anders ist es natürlich, wenn du in der Schule nie Hausaufgabe gemacht, auf keine Klausur gelernt hast und einfach keine Lust hattest. Dann musst du dir jetzt einen gewaltigen Arschtritt verpassen! 

Nun, jetzt habe ich erwähnt, dass einige Freunde von mir das Studium abgebrochen haben. Daran lässt sich nicht vorbeireden. Natürlich werden es im Studium immer weniger. Viele müssen und viele wollen aufhören. Aber geht es dir denn besser, wenn du es einfach nicht versuchst? Wirst du dir in zwanzig Jahren nicht denken, was wäre wenn? Es ist absolut keine Schande das Jurastudium nicht zu „schaffen“. Das heißt doch nicht, dass die anderen irgendwie mehr wert sind als du! Vielleicht liegen deine Stärken einfach wo anders! Also, wenn es dein Traum ist, dann vergiss die Durchfallquote, vergiss was andere denken und mach es! (Bei nichtbestandenem Staatsexamen kann man auch etwas anderes studieren und sich vieles anrechnen lassen).

So ganz nebenbei: in Wirklichkeit fallen keine 28,46 Prozent durch das Staatsexamen durch. Laut dem Bericht des Bayerischen Landesjustizprüfungsamtes im Jahr 2018, schieden nur 6,61 Prozent endgültig aus. Ein Teil der erstmalig Gescheiterten (ca. 4-6 Prozent aller Kandidaten/Kandidatinnen) stellt sich dabei nicht mehr der Wiederholungsprüfung.

Quelle: https://www.justiz.bayern.de/media/pdf/ljpa/jahresberichte_mit_statistiken/bericht_2018.pdf

Also Kopf hoch! Lass dich von den Zahlen nicht erschlagen. Konzentriere dich auf die Zahlen, die bestehen. Davon wirst du einer sein! Da bin ich mir absolut sicher.

Ich wünsche dir ganz viel Spaß im Jurastudium! Deine Meinungsstreiterin